FOTAS – Faseroptische Früherkennung für Kritische Infrastrukturen
Einleitung – Infrastruktursysteme, die Signale senden, bevor Risiken entstehen
In kritischen Infrastrukturen wie Hochspannungsleitungen, Tunnel-Kabelgalerien, Solarenergieanlagen, Lithium-Ionen-Batteriecontainern und Förderbandsystemen besteht die tatsächliche Anforderung nicht darin, einen Alarm erst nach dem Auftreten eines Brandes oder Ausfalls zu erhalten, sondern das früheste Verhaltenssignal zu erkennen, das auf ein sich näherndes Risiko hinweist. In vielen industriellen Szenarien zeigt sich Gefahr nicht erst nach Überschreiten eines Temperaturschwellenwerts, sondern bereits durch minimale Abweichungen in der thermischen Kurve, Anomalien im akustischen Signaturmuster oder Veränderungen im Druckverhalten. Aus diesem Grund bieten faseroptische verteilte Detektionssysteme einen ingenieurtechnischen Ansatz, der deutlich über klassische Punktdetektoren hinausgeht.
Grundlagen der faseroptischen verteilten Detektion: DTS, DTGS und DAS
DTS – Distributed Temperature Sensing (Verteilte Temperaturüberwachung)
Die Temperatur wird kontinuierlich entlang der Glasfaser gemessen. Das System behandelt jeden Punkt des Kabels als virtuellen Sensor und erstellt eine durchgehende Temperaturkarte.
DTGS – Distributed Thermal Gradient Sensing (Verhaltensbasierte Thermische Trendanalyse)
Die von DTS gelieferten Temperaturwerte dienen als Referenz, während der thermische Verlauf und dessen Änderungsrate analysiert werden. Das System wartet nicht auf festgelegte Schwellenwerte, sondern erkennt Abweichungen vom natürlichen Temperaturverhalten, wodurch eine Frühwarnung ausgelöst werden kann, bevor ein Grenzwert erreicht wird.
DAS – Distributed Acoustic Sensing (Akustische Verhaltensüberwachung)
Über die Glasfaser können Mikro-Vibrationen und Druckimpulse erkannt werden. Dadurch lassen sich Reibung, Gasleckagen, mechanische Lockerungen oder unbefugte Eingriffe detektieren – lange bevor thermische Veränderungen messbar sind.
Technischer Unterschied zwischen DTS und DTGS – Temperatur messen vs. thermisches Verhalten interpretieren
Während sich ein Laserpuls entlang der Glasfaser bewegt, entsteht Raman-Streuung. Das zurückkehrende Signal enthält temperaturabhängige spektrale Komponenten. DTS verarbeitet dieses Signal und erzeugt ein ortsaufgelöstes Temperaturprofil. DTGS geht einen Schritt weiter: Es bewertet die zeitliche Veränderung der Kurve, die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs und die Richtung der Abweichung und ermöglicht damit eine Aussage wie: „Dieser Abschnitt beginnt sich zu erwärmen – und das Verhalten weicht vom Normalbetrieb ab.“
FOTAS – Eine lokal entwickelte Plattform für faseroptische Detektion
Mit FOTAS wird die faseroptische Detektion zu einer skalierbaren, lokal entwickelten Plattform mit strategischer Datentiefe. DTS misst die Temperatur, DTGS bewertet das thermische Verhalten, und DAS erfasst akustische Veränderungen. FOTAS interpretiert diese drei Signalkanäle direkt an der Infrastruktur und wandelt sie in verwertbare Frühwarninformationen um. Somit ist FOTAS kein einzelner Detektor, sondern eine Ingenieursplattform für verteilte optische Signalanalyse.
Einsatzszenarien – Verhaltensbasierte Frühwarnung in realen Anwendungen
Thermisches Vorverhalten bei Lithium-Ionen-Batteriesystemen
Noch vor einem Thermal Runaway entstehen mikrothermische Spannungen und Druckveränderungen. DTS überwacht die Temperatur, DTGS erkennt die Beschleunigung der Kurve, und DAS registriert Veränderungen im akustischen Signaturmuster, noch bevor ein Druckausbruch erfolgt.
Lokale thermische Anomalien in DC-Kabeln von Photovoltaikanlagen
In Dach-Solarsystemen führen lose Verbindungen oder Isolationsermüdung zu Störungen der thermischen Verteilung. DTS erkennt diese Veränderung, DTGS markiert den Verhaltensbruch und generiert frühzeitig ein Wartungssignal.
Reibungsbedingte Erwärmung in Förderbandsystemen
Mechanische Reibung erzeugt thermische Beschleunigung, noch bevor messbare Hitze auftritt. DTGS identifiziert dies als anormale Verhaltensänderung und ermöglicht eine proaktive Gefahrenmeldung.
Isolationsabbau in Hochspannungsleitungen
Eine Degradation der Isolierung verändert das thermische Verhalten, noch bevor Temperaturwerte ansteigen. DTGS erkennt diese Abweichung der Kennlinie und liefert ein Fehlervorsignal.
Leckageverhalten in petrochemischen Rohrleitungen
Kommt es zu einem Leck, wird zunächst das lokale thermische Gleichgewicht gestört, gefolgt von einer Änderung der akustischen Signatur. In Kombination aus DTS + DTGS + DAS kann das System ein verhaltensbasiertes Risikosignal liefern, lange bevor klassische Alarmkriterien eintreten.
FOTAS – Dateninterpretation und Integration
FOTAS kann als autonomes System betrieben werden, lässt sich jedoch bei Bedarf in SCADA-, BMS- oder Wartungssysteme integrieren, um Frühwarnsignale nicht nur zu erfassen, sondern direkt in Entscheidungsprozesse einzubinden. Damit erzeugt das System nicht lediglich Sensordaten, sondern interpretierte ingenieurtechnische Erkenntnisse.
Schlussfolgerung – Glasfasern transportieren nicht mehr nur Daten, sie lesen Verhalten
In modernen Infrastrukturen besteht die Notwendigkeit nicht darin, nur auf Ereignisse zu reagieren, sondern die Verhaltensdynamik physikalischer Signale wie Wärme, Druck, Reibung oder akustische Schwingung zu analysieren, um Risiken vor der Manifestation zu erkennen. Mikrothermische Spannungen in Energiespeichern, Kontaktermüdungen in PV-Leitungen, Isolationsveränderungen in Stromnetzen, akustische Anomalien vor Leckagen oder Reibungsbeschleunigungen in Fördersystemen – sie alle zeigen: Risiken entstehen zuerst im Verhalten. Temperatur- oder Druckgrenzen markieren lediglich die letzte Phase. Deshalb ist FOTAS nicht nur ein Detektor, sondern eine lokal entwickelte optische Plattform, die die Glasfaser in eine kontinuierlich beobachtende Ingenieur-Sensorik transformiert. DTS misst, DTGS interpretiert, DAS hört zu – und kombiniert ergeben sie eine Infrastruktur, die ihren eigenen Zustand meldet, bevor der Schaden entsteht. Dies markiert den Übergang von reaktiven Alarmkonzepten zu verhaltensorientierten, proaktiven Überwachungssystemen – ein Schritt hin zu selbstmeldenden intelligenten Infrastruktur-Netzwerken.